Der Verein unter königlicher – preußischer Regie
Aus den Anfangsjahren des Bergmannsvereins "Glück Auf" (*1) liegen nur sehr wenige aussagefähige Dokumente vor. Die wenigen Quellen lassen nur so viel erkennen, der Bergmannsverein "Glückauf" in Bleicherode, der im Juni das zehnjährige Jubiläum seiner Neugründung begeht, hat seine Wurzeln im Jahre 1900 im Königlichen Salzwerk von Bleicherode.Die preußische Bergverwaltung hatte in den Jahren von 1888 bis 1897 südlich vom Harz durch ein umfangreiches Tiefbohrprogramm die Kalisalzlagerstätte am Südharz entdeckt und sich gleichzeitig mit allen salzfündigen Bohrungen das Bergwerkseigentum in einer Größe von 142 km² gesichert. Das wiederum bildete die Grundlage zum Bau eines Salzwerkes, dessen Errichtung der preußische Fiskus zwei Jahre später im Jahre 1899 bei dem Städtchen Bleicherode begann. Für das Vorhaben stellte die Königliche Berginspektion nur zwölf gelernte Bergleute aus verschiedenen Bergbauregionen ein. Die Mehrzahl der Arbeitkräfte kam aus Bleicherode, einige aus den umliegenden Gemeinden; in der Hauptsache ehemalige Weber, Handwerker und Landarbeiter.
Dann war da der 2. Januar 1900. Das Datum steht für den Gründungstag des Bergmannsverein "Glück Auf" in Bleicherode; für den Tag, an dem das Vereinsstatut zur Verabschiedung gelangte und wie es im § 3 des Statutes heißt "jeder auf dem Königlichen Bergwerk Bleicherode beschäftigte Mann, der das achtzehnte Lebensjahr überschritten und sich über einen moralischen Lebenswandel auszuweisen vermag", das Recht zum Vereinsbeitritt erhielt.
Was war aber der Gründungsprozedere vorausgegangen an Absprachen, an Diskussionen zwischen den Beteiligten und wer waren jene ersten Vereinsmitglieder, wer bildete den ersten Vorstand?
* 1 Bergmannsverein "Glück Auf" ist der 1900 gegründete Verein,
Bergmannsverein "Glückauf" ist der 1996 neu gegründete Verein.
Der erste Spatenstich für die Teufarbeiten am Schacht I von Bleicherode lag da gerade einmal fünf Monate zurück - wer konnte also unter den gegebenen Umständen die Initiative zu einer Vereinsgründung ergriffen haben bzw. wer konnte sie konzeptionell und organisatorisch durchführen, bei einer sich eben erst findenden Belegschaft ganz ohne bergbaulichen Hintergrund?
Wenn auch die Quellen die aufgeworfenen Fragen weitgehend unberührt lassen, etwas verraten sie dennoch. Die Geburtshelfer für den Verein konnten nur aus dem Kreis der höheren Beamten der Königlichen Berginspektion oder deren oberen Werksbeamten auf dem Königlichen Salzwerk kommen, in welcher Form auch immer. Hier war gepaart hohes bergmännisches Können auf der einen Seite mit unbestritten distanzierter bis feindlicher Haltung zu sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Tendenzen auf der anderen Seite. Auf der Werksebene waren die Behinderungen für die genannten Organisationen an der Tagesordnung. Das verabschiedete Statut benennt im §2 Vereinsziele, die zwar jeder Bergmann uneingeschränkt zu seinem eigenem Anliegen machen konnte:
"Pflege des geselligen kameradschaftlichen Verkehrs.
Verstorbenen Kameraden das letzte Geleit zu geben .
Unterstützung hilfsbedürftiger Kameraden oder deren Hinterbliebenen."
Doch das war nicht alles. Ganz im Sinne obrigkeitsstaatlichen Denkens, hatte man zu den oben genannten Vereinszielen im §2 ein weiteres Ziel hinzugefügt, das der "Hebung der patriotischen Gesinnung für Kaiser und Reich". Das Statut drohte letztlich jedem Andersdenkenden den Ausschluss an, "wer bei Festen und Feierlichkeiten ... durch ... sozialistische Tendenzen zu stören sucht".
Ein Bollwerk bilden sollte jener Bergmannsverein gegen sozialdemokratische und gewerkschaftliche Agitationen und noch dazu reichstreu ausgerichtet sein.
Ganz in diesem Sinne sieht Obersteiger Gräber den kurz zuvor gegründeten Bergmannsverein "Berggeist", wenn er ihn mit den Worten lobt "Tendenz also gut, insbesondere ist hervorzuheben, die entschiedene Stellungnahme gegen sozialistische Umtriebe". So Obersteiger Gräber in einem an Bergrat Uthemann gerichteten Situationsbericht vom September 1903.
Noch im Jahre 1908 beklagt der Bezirksleiter des Bergarbeiterverbandes die schwierige Lage seiner Organisation in der Mitgliederwerbung mit den Worten, "durch die eigenartige Lage des hiesigen Kalireviers, weitab von allen größeren Städten und sonstiger Industrie, war es den Werksbeamten möglich, sich einen Stamm von Arbeitern zu erziehen, die ihnen vorläufig noch blind ergeben sind" und weiter "die Beamten organisieren sofort einen reichstreuen Knappenverein", was allerdings nicht nur auf den preußischen Staatsbergbau zutraf.
Der mit dem Auf– und Ausbau des Königlichen Salzwerkes schnell zunehmende Arbeitskräftebedarf übte nicht nur auf das in Bleicherode ansässige Arbeitskräftepotential, oft schlecht bezahlt oder arbeitslos, eine große Anziehungskraft aus, sondern erfasste auch die umliegenden Gemeinden.
So darf es nicht verwundern, dass in den darauf folgenden Jahren, im Einzugsgebiet des Königlichen Salzwerkes und seiner "von Velsen" – Schächte Bergarbeiter sich in Bergmannsvereinen zusammenfanden.
Einer Aufstellung zufolge, datiert vom April 1904, gab es am Königlichen Salzwerk von Bleicherode nachstehende Bergmannsvereine:
Name d. Vereins gegründet | Ort u. Sitz | Name d. Vorsitzenden / Beruf | Zahl der Mitglieder |
---|---|---|---|
"Glück Auf" 2. Jan. 1900 | Bleicherode Berliner Hof | Heinrich Hartmann Maschinenwärter | 43 |
"Glück Auf" 7. Aug. 1903 | Ober- und Mitteldorf Wirtschaft Werner | Friedrich Kleine Knappschaftsältester | 32 |
"Berggeist" 23. Aug. 1903 | Niedergebra Gasthof Plock | Friedrich Fischer Hauer |
31 |
"von Velsen" 11. Okt. 1903 | Pustleben Wirtschaft Wetzestein |
Friedrich Wagner Hauer |
25 |
In den Gemeinden Bliedungen/Gratzungen hatten sich im November 1905 zwanzig Bergleute zusammengefunden und den Bergmannsverein "von Velsen" gegründet, wohl eine der letzten Vereinsgründungen am Königlichen Salzwerk Bleicherode. Wie bereits der Bergmannsverein in Pustleben, erhielt auch der Verein in Bliedungen/Gratzungen den Namen des preußischen Oberberghauptmanns Gustav von Velsen.
Name d. Vereins gegründet | Ort u. Sitz | Name d. Vorsitzenden / Beruf | Zahl der Mitglieder |
---|---|---|---|
"von Velsen" 2. Jan. 1900 | Bliedungen und Gratzungen |
Richard Wagner Schlepper | 20 |
Werksbeamte gehörten den Bergmannsvereinen zu keiner Zeit an. Es war die Belegschaft des Königlichen Salzwerkes, die Bergjungen, Schlepper, Lehrhauer und Hauer, die Tages- und Fabrikarbeiter sowie die Maschinen– und Werkstattarbeiter, die als Mitglieder in den Bergmannsvereinen zu finden waren. Zu besonderen Anlässen, wie den Bergfesten, waren die Vereinsmitglieder wie auch alle anderen Angehörigen des Königlichen Salzwerkes angehalten, die von der preußischen Bergverwaltung vorgeschriebenen Uniformen mit den für die Arbeitergrade entsprechenden Gradabzeichen zu tragen.
Zur "Hebung des Standesbewusstseins und in Folge davon auch in Beziehung auf ehrenhaftes und sittliches Verhalten der Belegschaften" wie es dort hieß.
Zu Beginn des Jahres 1904 waren allein aus der Stadt Bleicherode 112 Bergleute auf dem Königlichen Salzwerk angelegt; 43 von ihnen waren eingetragene Mitglieder im Bleicheröder Bergmannsverein "Glück Auf". Als dessen Vorsitzender wird der Maschinenwärter Heinrich Hartmann benannt.
Heinrich Hartmann, geboren am 3. Oktober 1873, war am 5. März 1903 auf dem Königlichen Salzwerk angefahren in der Maschinen- und Werkstattabteilung. Es ist nicht überliefert, wann er in den Verein eintrat, wann er den Vereinsvorsitz des Bergmannsverein "Glück Auf" übernahm und von wem. Von da ab fehlen so gut wie alle weiteren Fakten, die letztlich ein umfassendes Gesamtbild der Vereinsentwicklung hätten zeichnen können, wie z.B. die Mitgliederentwicklung, gab es Vereinsziele außer den bereits im Statut genannten etc..
Auch wäre es interessant zu erfahren, wie wichtig nahm der Vorstand und damit der Verein das im Statut verankerte Maxim vom Eingeschworensein auf Kaiser und Reich und patriotischer Gesinnung, im Hinblick auf den Umgang mit den eigenen Mitgliedern und mit außenstehenden, interessierten Bergleuten. Denn nur ein paar Jahre später heißt es über die Bleicheröder Bergleute, "die Arbeiter seien zum größten Teil schon sozialistisch angehaucht", so jedenfalls die Meinung des hiesigen Pfarrers im Jahre 1911.
Mit Sicherheit war der Bergmannsverein "Glück Auf" in das Geschehen um die Bergfeste voll integriert. In einem vor der Bergwerksgründung eher verschlafen wirkenden Städtchen Bleicherode hatten die Schachttaufe und die von da an jährlich und öffentlich von der Berginspektion auf dem Vogelberg veranstalteten Bergfeste mit viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft sich zu einem Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben der Stadt entwickelt.
Die Aktivitäten des Vereins waren aber nicht allein auf die Bergfeste ausgerichtet. Wie der örtlichen Presse zu entnehmen ist, organisierte der Bergmannsverein kulturelle Veranstaltungen, zu denen dann auch die Beamten der Königlichen Berginspektion eine Einladung erhielten.