Die Erzgebirgsreise

"Fischerbaude" in Holzhau
Die Fahrt ins "Arzgebirg", wie die Einheimischen sagen würden, war einer der Höhepunkte im bisherigen Vereinsleben. Die Planungen und Vorbereitungen für das angedachte Unternehmen "Fahrt ins Erzgebirge" liefen seit Mitte des Jahres 2003 und lagen in den bewerten Händen unserer Kameraden Detlef Becker und Wilfried Guder.
Am 2. Dezember 2004 war es endlich so weit; ein voll besetzter  Bus mit Bleicheröder Bergleuten und ihren Ehefrauen startete in Richtung Holzhau, zur Pension "Fischerbaude", unserem Standquartier. Da fuhren also wieder einmal Bergleute aus dem Harz nach Sachsen. Nur waren es diesmal Leute aus dem "salzigen Berg" und nicht einem "Berggeschrei" folgend, um in harter Arbeit mit dem Schlägel und dem Bergeisen Silber und andere Metalle zu gewinnen wie vor etwa 800 Jahren, sondern sie wollten sich auf diesem Wege den bergbaulichen Traditionen dieser bedeutenden deutschen Bergbauregion nähern  und dem Land der Nussknacker, Raachermannl, Pyramiden und Schwibbogen ihre Reverenz erweisen. Nach einigen Irrungen und Wirrungen auf dem Weg zur Fischerbaude fand ein jeder sein Quartier und seine Nachtruhe.
Für die folgenden drei Tage hielten für uns unsere bewährten Organisatoren ein überaus breit gefächertes,  abwechselungsreiches Programm bereit. Langeweile oder Leerlauf waren von diesen drei Tagen verbannt, zu Unbekannten  geworden. Für die Retrospektive heißt das aber auch, nicht alle Stationen unserer Fahrt  können an dieser Stelle gebührend erwähnt werden. Die Bierliebhaber unter uns, es heißt nach Studien: "Bierliebhaber", sind positiver eingestellt und haben weniger Beschwerden, kamen in der kleinen aber feinen "Brauerei Rechenberg" voll auf ihre Kosten. Manch einer von ihnen  hätte statt der gekauften 5l-Fässchen Bier lieber die ganze Brauerei mitgenommen; dafür war natürlich der Bus etwas zu klein geraten.
Im Hof der Brauerei "Rechenberg"
Außerdem, wo sonst als im Bus sollten die hohen Pyramiden, kräftigen Bergleute, strahlenden Lichterengel, mit anderen Worten die ganze erzgebirgische Schnitzkunst untergebracht  bzw. transportiert werden, die nicht nur unsere Ehefrauen in Seiffen erstanden hatten und das  oftmals im wahrsten  Sinne des Wortes. Denn  im Zentrum des Spielzeuglandes Erzgebirge war der Strom der Kauf- und Schaulustigen aus allen deutschen Landen besonders groß. Und dann gab es an einem Ort die vielen Nussknacker, etwa 3700 an der Zahl: große, kleine, bunt bemalt aus aller Herren Länder, nur leider unerreichbar  hinter Glas im Museum von Neuhausen. Nur einer steht draußen und der ist 5,87 Meter hoch und wiegt etwa eine Tonne. Bei den folgenden Exkursionspunkten, der Fahrt nach Altenberg und Deutschkatharinenberg,  schlug das Herz unserer  am historischen Bergbau interessierten  Kameraden deutlich höher.
Der größte Nussknacker und Jürgen
In der Stadt Altenberg hätte man das unter Umständen noch   dem Besuch der Bobbahn oder der  "Kräuterlikörfabrik Baeseler" anlasten können, denen man natürlich seine Reverenz erweisen musste.
Zur Beruhigung aller sei gesagt, nicht die Verkostung in der Likörfabrik, nicht die Bobbahn waren schuld. Verantwortlich waren allein mehr als fünf Jahrhunderte beeindruckender Bergbaugeschichte, die um 1440 ihren Anfang nahm. Sodann hat der Bergbau in Altenberg  infolge der Pingenbrüche ab 1545 Sonderformen des Abbaues entwickelt. Zu besichtigen war im Bergbaumuseum die imposante Anlage der  historischen Zinnwäsche mit dem 40-stempligen Pochwerk für die Gesteinszerkleinerung und schließlich gab es noch die Einfahrt in den "Neubeschert – Glück - Stollen". Besagter Stollen wurde im Jahre 1802 angehauen zur weiteren Zinnerzerkundung; seit nunmehr 1971 zeigt er als Schaubergwerk an nachgestalteten Arbeitsorten vom Weitungsbau mit der Methode des Feuersetzens bis zum Verfahren des Teilsohlenbruchbaus die Entwicklung des Zinnerzabbaues in Altenberg.
Neben den großen historischen  Bergrevieren, repräsentiert von den Städten Altenberg, Annaberg, Freiberg oder Schneeberg u. a., gab es im Erzgebirge  jahrhundertelang an zahlreichen kleinen Orten viele kleine Gruben. Eine dieser kleinen Gruben bei Deutschkatharinenberg war unser nächstes Exkursionsziel. Hier sollten wir das "Bergwerk Bernsteinzimmer" kennen lernen, so jedenfalls lautet sein geheimnisumwitterter Name.
Unser Interesse war geweckt, findet man doch in der Bergbau-Fachliteratur über das Erzgebirge in  keinem  Grubenverzeichnis eine Grube oder Stollen mit einem derartigen Namen. Die Erklärung war schnell gegeben, das "Bergwerk Bernsteinzimmer" ist praktisch identisch mit der Grube "Fortuna". Schon 1514 wurden auf dem "Fortuna Stehenden" Grubenfelder verliehen und von da an Silber-, meistens jedoch Kupfererz abgebaut bis zum Jahr 1882. In den Jahren 1944/1945 sollen in der Grube neben anderen Kulturgütern auch Teile des Bernsteinzimmers gelagert worden sein, so erzählt man sich. 1998 wurde durch Zufall der Stollen entdeckt und zum Besucherbergwerk ausgebaut. Mit dem neuen,  touristenwirksamen Namen "Bergwerk Bernsteinzimmer" hat man die sonst allenthalben  geübte bergbauliche Tradition verlassen. Zu der Anlage gehört heute ein neu entstandenes Huthaus mit Steigerstube. Nach einem guten Tscherperessen und einem unterhaltsamen Laienspiel in erzgebirgischer Mundart, beides wurde für uns im Huthaus serviert, fuhren wir in den besagten Stollen ein.
Beim Tscherperessen und Laienspiel im Huthaus
Frei nach Dürrenmatt gehörte auch der Besuch bei einer alten Dame in einer ehemaligen Holzwarenfabrik zu unserem Programm. Dort war eine 220 PS-Einzylinder-Kolbendampfmaschine aus dem Jahre 1893 zu besichtigen und die zog zumindest die Technikfreaks unter uns in ihren Bann. Zurück in Holzau erwarteten uns mehrere Pferdegespanne, bereit zu einer abendlichen Fahrt im Planwagen. In Wolldecken warm eingepackt und mit vielen kleinen Taschenwärmern versorgt, nahmen wir das gerne an. Was konnte uns da schon passieren? Es wurde eine recht beschwingte Fahrt in einen leicht verschneiten Winterwald. Wir hatten in der "Fischerbaude" soeben das Abendessen beendet, da trat völlig unerwartet Knecht Ruprecht mitten unter uns. Wer sonst hätte auch in dieser Jahreszeit im Weihnachtsland den Weg hinauf zur Fischerbaude finden können? Knecht Ruprecht persönlich machte also uns Bleicheröder Bergknappen seine Aufwartung. Dann, zu unserer aller Überraschung, aus seinem riesengroßen Sack holte er Geschenk um Geschenk hervor für die braven Bergmannsleut, nicht ohne für jeden die passenden  Worte bereit zu haben. Eine besondere, eine gelungene Überraschung, zu der wir nur sagen können: "Chapeau Kamerad Detlef Becker". Den Abschluss, wenn nicht sogar den Höhepunkt unserer Erzgebirgsreise, bildete die Fahrt nach Schneeberg, der alten Bergstadt im Westerzgebirge, von der Agricola sagte, "unter allen Bergstädten Deutschlands war Schneeberg am reichsten an gediegen Silber". Mitte des 15. Jahrhunderts hatten Bergleute auf dem Schneeberg mit dem Schürfen nach silberhaltigen Erzgängen begonnen. Im Jahre 1477 fand man auf der Grube "St. Georg" eine einzigartige Silberstufe von 2 m Mächtigkeit, 4 m Höhe und 8 t Gewicht. Nach der Überlieferung hat man aus dem Fund unter Tage einen Tisch ausgehauen, an dem am 16. September 1477 Herzog Albrecht bewirtet wurde. An diese Begebenheit  erinnert uns heute nur noch eine Zeichnung bzw. eine  Lithographie. Die Silbervorkommen waren alsbald erschöpft, doch sorgte die polymetallische Natur der Erzvorkommen immer wieder zum Aufblühen des Bergbaus in und um Schneeberg.
Zu dem alle Jahre wieder am 2. Adventswochenende stattfindenden Lichterfest, das mittlerweile tausende Besucher nach Schneeberg zieht, führte uns wie gesagt unsere Exkursionsroute zum Abschluss. Das Lichtelfest ist nach dem Bergstreittag das bedeutendste bergmännische Fest in Schneeberg. Das Lichtelfest markiert die
innige Verbindung von bergmännischer Tradition und erzgebirgischem Brauchtum.
Seine ideellen Wurzeln hat das Fest in der Bedeutung des Lichtes für den Bergmann im dunklen Schacht. Es wurde behütet, sicherte es ihm doch eine sichere glückliche Ausfahrt.
Da der so genannte kleine Bergaufzug im Rahmen des Lichtelfestes erst am frühen Abend von Neustädtel kommend am Schneeberger Rathaus eintreffen sollte, blieb vor den Kampf um die besten Sehplätze genügend Zeit für eine individuelle Ausgestaltung des Nachmittags. Kirche St. Wolfgang mit Cranach-Altar, Museum für bergmännische Volkskunst und vieles mehr waren die Angebote in der Stadt; für jeden Geschmack ließ sich etwas Passendes finden. Schließlich war der Augenblick gekommen, durch die festlich erleuchteten und von vielen Besuchern gesäumten Straßen zog der Bergaufzug mit den Bergbrüderschaften und dem Musikkorps der Bergstadt Schneeberg in ihren historischen Bergmannshabits zum ebenfalls festlich erleuchteten Rathaus. Ein bergmännisch-weihnachtliches Musikprogramm mit dem Musikkorps der Bergstadt und das Turmblasen vom Rathausturm beendete das stimmungsvolle Lichtelfest 2004. Für uns hieß es jetzt Abschied zu nehmen vom Erzgebirge, möglichst schnell den passenden Pendelbus zu finden zu unserem Busstandort und mit vielen positiven Eindrücken die Heimfahrt anzutreten.
Allen, die zum Gelingen dieser wunderschönen Reise beigetragen haben, sei
an dieser Stelle Dank gesagt und gegrüßt  mit einem herzlichen "Glückauf".

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